Die zunehmende Sichtbarkeit der #BlackLivesMatter-Bewegung hat noch einmal vielen Menschen gezeigt, dass Rassismus ein existierendes Problem in Deutschland und auf der Welt ist, das zu häufig ignoriert wird. Auch auf dem Spielfeld hat Rassismus traurige Tradition.
Was ist Rassismus?
Rassismus wird auf verschiedene Weisen täglich von Menschen erlebt. Das Handlungsfeld umfasst subtile Alltagsdiskriminierung über Hetze im Netz bis hin zu rassistischen Gewalttaten. Dabei werden Menschen aufgrund ihres Äußeren, ihres Namens bzw. aufgrund ihrer (vermeintlichen) Herkunft, Kultur oder Religion abgewertet. Sie werden nicht mehr mit ihren individuellen Fähigkeiten oder Eigenschaften beurteilt, sondern als Teil einer vermeintlichen Gruppe abgewertet. In Deutschland betrifft das insbesondere Menschen, die nicht weiß sind.
Rassismus im Fußball
Medial sind rassistische Äußerungen und Aktionen von einzelnen Akteurinnen oder Spielerinnen wiederholt sichtbar. Plötzlich sind dann negative Schlagzeilen über große Kindheitsidole zu lesen. Unter den Fans scheint Fußball neben Gemeinschaft und Glücksgefühlen auch ein Katalysator für Hass und Hetze zu sein. Rassismus wird im Kontext des Fußballs vor allem durch diverse feindselige Äußerungen oder sogar durch Affenlaute gegenüber Spieler*innen sichtbar. Im Stadion wird das deutlich, was auch eine der zentralen Schwierigkeiten bei Mobbing ist. Einigen wenigen Menschen scheint es immer wieder zu gelingen, eine rassistische Stimmung aufzubauen.
Die duldende Mehrheit
Im Stadion wird das zum Beispiel dann sichtbar, wenn rassistische Parolen gegrölt werden. Nach außen wirkt es, als würde die schweigende Masse dahinterstehen. In der Schule können wir das gleiche Phänomen dann beobachten, wenn eine Schülerin von mehreren anderen Schüler*innen beleidigt oder ausgelacht und von niemandem aus der Klasse verteidigt oder in Schutz genommen wird.
Beschimpfungskultur
Dr. Judith von der Heyde ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück und forschte zum Rassismus im Fußball. Sie sieht rassistisches Handeln auf Seiten der Fans als keine vereinzelten Phänomene an. Stattdessen findet es normalisiert von Fans statt. Das sei damit zu erklären, dass unter den Fans eine bestimmte Beschimpfungskultur gepflegt wird. Im Fußball sei es gängige Fanpraxis, gegnerische Fans und das gegnerische Team abzuwerten. So werde die eigene Gemeinschaft gestärkt.
Tradition des Fußballs
Das Sich-Berufen auf eine Tradition des Fußballs legitimiere für Fußballfans bestimmte rassistische Gesänge und Rufe, die ein Teil des Supports sind. Rassistisches Wissen sei fest in den Strukturen des Fußballs verankert, so von der Heyde. Das zeige sich zum Beispiel dadurch, dass nahezu jede Person im Kontext des Fußballs von rassistischen Fangesängen wisse und die meisten sogar mitsingen könnte.
Rassismus als Teil der Fankultur
Worauf gründen sich rassistische Aktionen der Fans? Im Fußball gibt es bestehende Routinen und verschiedene Abläufe, die sich stets wiederholen. Verantwortlich für Rassismus können z. B. die ständige Betonung von sogenannten Werten und Traditionen des Fußballs und die starke Verkörperung von Heimat und Lokalgebundenheit genauso wie das starke Verharren auf Wir-Beschwörungen und die völlig natürliche Anwendung dieser Faktoren in der Fanpraxis sein. Natürlich gibt es aber auch im Fußball die andere Seite der Fans und Ultras, die sich deutlich von Rassismus abgrenzen und Zeichen für Toleranz setzen – sowohl spontan als auch organisiert.
Fußball als Ort für Privilegierte
Fraglich bleibt, ob sich beobachten lässt, dass Fußball für alle da ist. Zumindest wird in den Stadien sichtbar, dass Fußball nicht die Gesellschaft als Ganzes abbildet. Wie in bestimmten Kreisen fernab des Fußballs sind Frauen auch im Stadion unterrepräsentiert: Weit weniger als die Hälfte der Zuschauer*innen ist weiblich. Vielmehr noch lässt sich in westlichen Kulturen sogar vermuten, dass Fußball der Produktion und Inszenierung von Männlichkeit dient.
Fehlende Vielfalt
Welche Personen verfolgen die Spiele ihrer Lieblingsmannschaften vor dem Bildschirm oder im Stadion? Betrachtet man die Fans, lassen sich bestimmte Muster erkennen. Noch weniger als das Existieren weiblicher Zuschauerinnen spiegelt sich in den Rängen die ethnische Vielfalt wider, die es in Deutschland als Einwanderungsland gibt. Es kann schlicht kein Abbild des Großen und Ganzen geschaffen werden, weil nicht alle Mitglieder der Gesellschaft anteilig vertreten sind. Fußball ist ein Sportevent von und für Privilegierte. Vielfalt gibt es nur auf dem Platz. Das führt vor allem dazu, dass Rassismus im Fußball nicht für alle sichtbar ist. Denn die meisten Menschen im Kontext von Fußball müssen sich über Rassismus keine Gedanken machen.
Fußball als Teil unserer Gesellschaft
Betrachtet man den Fußball in Deutschland, sorgt dieser vor allem für ein großes Medieninteresse. Unbestritten hat er einen immensen Vorbildcharakter für hunderttausende Fans. Unvermeidbar ist auch eine große Strahlkraft auf Schülerinnen zu erkennen, für die Profispielerinnen große Vorbilder sind und die sich auch an den Werten ihres favorisierten Clubs orientieren. Hinsichtlich des Rassismus als ein Problem, das über den Fußball hinausgeht, ergeben sich durch diese Stellung des Fußballs auch Chancen.
Veränderungen mithilfe des Fußballs
Unzählige Aktionen und Bündnisse sind bereits ins Leben gerufen worden. Fußballvereine können zukünftig noch stärker Projekte mit Schulen und Bildungsinitiativen eingehen, um Präventionsarbeit zu leisten. Ebenso könnte das Wissen der Fangruppen, die sich aktiv gegen Rassismus positionieren, intensiver genutzt werden. Natürlich ist das Thema auch in die eigene PR einzubetten. Hilfreich wären deutliche Positionierungen der Spieler*innen und dann auch der Fans und anderer Personen. Schließlich ist Rassismus ein zentrales Problem, bei dem nicht die einzelne Person hinsichtlich einer Lösung gefragt ist, sondern wir es als Gesellschaft sind. Fußball kann für diesen Prozess des Umdenkens einen entscheidenden Anstoß geben.