Cybermobbing ist durch die Corona-Pandemie verstärkt unter Jugendlichen verbreitet. Nach der kürzlich vorgestellten Sinus-Jugendstudie machen 51 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland eigene Erfahrungen mit dieser besonderen Form von Mobbing. Zeichen gegen Mobbing e. V. erweitert die neuen Studienergebnisse auf Grundlage seiner tagtäglichen Erfahrungen. Die qualifizierten Ehrenamtlichen des Vereins sammeln ihre Eindrücke in ihrer Präventions- und Interventionsarbeit.
Herausforderungen der Digitalisierung in Schulen
„Es ist sichtbar geworden, welche entscheidende Rolle Schulen zur Sozialisation von Kindern und Jugendlichen einnehmen“, eröffnet Marek Fink einen kritischen Rückblick auf die Erfolge und Misserfolge der letzten Monate. „Derzeit kommen die Folgen des Distanzunterrichts vollends zum Vorschein.“ Fink ist Geschäftsführer des Vereins, der sich deutschlandweit für mobbingfreie Schulen einsetzt. „Die Pandemie sehe ich als maßgeblichen Beschleuniger der Digitalisierung von Schulen. Die Frage ist nun, ob die Schulen nachhaltig daran anknüpfen und bestehende Lücken aufarbeiten können“, spielt Fink auf Ressourcen an, die bis heute ungenutzt bleiben. „Im Austausch mit unseren Ehrenamtlichen merken wir, dass Erfolge zur Digitalisierung maßgeblich mit freiwilligem Engagement und erheblicher Mehrarbeit der Lehrkräfte einhergeht.“ Abhängig von den digitalen und emotionalen Kompetenzen der Lehrkräfte bedeute das für Schüler:innen im schlimmsten Fall, auf eine wichtige innerschulische Anlaufstelle verzichten zu müssen, sobald sie im Netz auf Probleme stoßen. „Hilfe zu einer Cybermobbing-Situation würde ich mir bei einer Lehrkraft, die nicht einmal mit den Geräten und Lernmitteln des Distanzunterrichts vertraut war und absolutes Desinteresse in diesem Bezug zeigt, selbst auch nicht holen.“
Mehr ich, weniger wir
Greta Bönig und Tim Nik leiten das Team jener Ehrenamtlichen, die sich mit einem besonderen Präventionsprogramm des Vereins für ein besseres Miteinander einsetzen. Sie wissen aus dem Austausch innerhalb des Teams: „Die Problematik umfasst weit mehr als eine fehlende Medienkompetenz.“ Auch während des Präsenzunterrichts seien Veränderungen spürbar. „Bei vielen Kindern und Jugendlichen beobachten wir negative Auswirkungen – besonders bei der Identitätsentwicklung. Mimik und Gestik sind durch das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes deutlich schwerer wahrnehmbar und in der Konsequenz sind Emotionen schwerer für jüngere Schüler:innen erlernbar. Neben den Masken gibt es aber auch viele andere neue Regeln, die inzwischen seit Monaten von Schüler:innen eingehalten werden müssen.“ Im Alltag führe das zu vielen Regelverweisen und Mahnungen – auch bei den Schüler:innen untereinander. „In den meisten Klassen, in denen wir mit unserer Arbeit anknüpfen, fehlt es am Gefühl der Gemeinschaft. Stattdessen beobachten wir einen hohen Selbstbezug“, resümiert Bönig.
Fehlende Rückzugsmöglichkeiten
„Was sich in der Schule entwickelt, wird online weitergetragen. Insofern spitzen sich die höhere Mediennutzung und die Herausforderungen während des Präsenzunterrichts gegenseitig zu“, erweitert Nik. „Der erlebte Raum verschiebt sich immer weiter in den Safe Space des eigenen Zuhauses. Sowohl im Homeschooling als auch in bestehenden Cybermobbing-Situationen fehlt die Abgrenzung zum eigenen Wohnraum. Während analoges Mobbing mit dem Klingeln der letzten Stunde endet, geht es mit Cybermobbing oft dann erst los. Das erschwert die Regeneration von Stressphasen, denen Betroffene ausgesetzt sind.“ Im Gegenteil zeigen die Hilfegesuche an den Verein, dass vor allem wiederkehrende Beleidigungen auf WhatsApp, Instagram und TikTok dazu führen, dass sich Schüler:innen hilflos und noch gestresster fühlen.
Wirksame Hilfsmöglichkeiten
„Umso entscheidender sind die Etablierung wirkungsvoller Präventionsmaßnahmen und das frühzeitige Erkennen von Signalen, die auf Mobbingsituationen schließen lassen können.“ Daher möchte der Verein auch Tipps an Eltern und Lehrkräfte weitergeben. „In Bezug auf die Nutzung von Smartphones empfehlen wir, sich gemeinsam mit dem Kind mit möglichen Risiken auseinanderzusetzen und von Anfang an einen offenen Austausch darüber zu etablieren“, beginnt Fink mit dem Appell, vor allem Kinder nicht mit ihren neuen digitalen Geräten allein zu lassen. Sofern dieser Austausch dann Herausforderungen erkennen lässt, seien die geschilderten Probleme immer ernst zu nehmen. „Ein solcher offener Austausch gelingt natürlich nicht immer. Verhaltensveränderungen wie Rückzug oder Aggressivität, Anpassungsversuche oder auch körperliche Beschwerden können zusätzliche Signale für eine bestehende Mobbingsituation sein. In diesem Fall ist es immer ratsam, ein Gespräch zu suchen“, ergänzt Bönig. „Auf unserer Website stellen wir Eltern viele Informationen bereit und erklären unter anderem, was wichtig für ein solches Gespräch ist“, verweist Nik auf die kostenlosen Informationsmöglichkeiten des Vereins. Im besten Fall werden von Anfang an Expert:innen wie jene von Zeichen gegen Mobbing e. V. für die Intervention einer bestehenden Mobbingsituation zu Rate gezogen, um Unsicherheiten aus der Welt zu schaffen und erfolgreiche Lösungswege zu erarbeiten, mit denen sich betroffene Schüler:innen wohlfühlen.
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Zeichen gegen Mobbing e. V. hat seinen Sitz im niedersächsischen Gronau (Leine). Die Mission des Vereins ist es, in Präventionsprojekten gemeinsam mit Schüler:innen, Eltern und Lehrkräften an konkreten Lösungen für ein besseres Miteinander zu arbeiten. Durch Hilfsangebote von Ehrenamtlichen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren soll zudem erreicht werden, dass sich mehr betroffene Schüler:innen wirksame Unterstützung suchen und ihre Schulzeit ohne Mobbing und Cybermobbing verbringen können.
Mehr Informationen über die Arbeit des Vereins gibt es unter www.zeichen-gegen-mobbing.de.
Dana Hansel
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